Samstag, Juli 27, 2024
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Don’t Look Up – ein Film, der einschlägt wie ein Komet?

Eher ein Film, der auf halber Spur verglüht.

Alle reden drüber. Alle gucken ihn. Warum? In erster Linie wegen seiner gesellschaftlichen Brisanz, die dank Corona- und Klimaleugner weggeht wie warme Semmeln. Aber lohnen sich diese 138 Minuten Weltuntergansgstimmung? Ich habe ihn mit der Lupe des Comedybloggers angeschaut.

Don’t Look Up (im Folgenden nur noch DLU) ist ein Werk, das laut Internet Movie Database in den Genres Komödie, Drama und Science Fiction angesiedelt wurde. Wer den Plot noch nicht kennt – hier eine kurze Zusammenfassung. 

Die angehende Astronomin Kate Dibiasky, gespielt von Jennifer Lawrence entdeckt einen neuen Kometen. Wie der Zufall es so will, rast dieser direkt auf die Erde zu. Ihr Professor Dr. Randall Mindy, gespielt von Leonardo DiCaprio, kann das nach einem wilden Zahlenexzess am Whiteboard nur bestätigen und wirft sein ganzes schauspielerischen Können in die Waagschale, um diese extrem hoffnungslose Situation glaubhaft rüberzubringen. Somit wird das Set-up für diesen Film in den ersten 10 Minuten sehr pathetisch eingezäunt: Die Welt wird untergehen! 

Per se ein universell gigantischen Set-up, aus dem schon die Bibel eine flotte Story gestrickt hat. 

Aber was bedeutet das im Jahr 2021? In einer von Trump traumatisierten, Klima zerstörten und Corona gebeutelten Social Media Gesellschaft, wo polemische Parolen und Halbwahrheiten zum Alltag gehören? In diesem Set-up steckt unheimlich viel Zündstoff, was in den folgenden 128 Minuten nur halbherzig anpackt wird.

Dafür verliert sich der Film in unnützen und lächerlichen Nebenhandlungen, die so sinnvoll und unterhaltsam sind wie Fußpilz.

Weiter geht’s. Die nerdigen Astronomie Dullies flitzen mit ihren brandheißen News nun von Pontius zu Pilatus und wollen nicht so recht erst genommen werden. Ihre Audienz bei der Präsidentin der Vereinigten Staaten zum Beispiel, gespielt von Meryl Streep, verläuft eher mau. Die beiden Astronomen treffen im Oval Office auf eine total überzeichnete Präsidentin und kommen rüber wie zwei minderbemittelte Vollidioten, die rüberbringen wollen, dass der Untergang der gesamten Menschheit bevorsteht. Mag wie Comedy klingen, ist aber Klamauk auf Matthias Schweighöfer Niveau. 

Es möchte einfach kein Komödien-Feeling aufkommen. 

Waran liegt das? Vielleicht weil dieses Science Fiction Drama einen Schweregrad mitbringt, der sich nur behutsam mit Comedy würzen lässt. Also, Satire geht auf jeden Fall anders. Ein weiterer Grund, warum so viel Comedy-Feeling wie bei der Tagesschau aufkommt, liegt womöglich am hochkarätigen Cast, der nicht unbedingt für Comedy bekannt ist. Anders wäre es mit Steve Carell oder Will Ferrell in der Rolle des Professors oder Christina Applegate als Doktorandin – die hätten meine Sensoren eher auf Komödie geeicht. Funfact am Rande: Adam McKay, der Regisseur von DLU hat seltsamerweise auch bei “Anchorman – Die Legende von Ron Burgundy” Regie geführt und mit Will Ferrell ein solides Komikwerk abgeliefert. 

Hilft nichts, Leonardo DiCaprio, Jennifer Lawrence, Meryl Streep und Cate Blanchett ergeben einfach kein Comedy Cast. 

Weiter im Film. Nachdem also die beiden Astronomen bei der Präsidentin abgeblitzt sind, gehen sie an die Öffentlichkeit und landen in einer US-Talkshow, die eher für ihren Boulevard als für ihre wissenschaftliche Substanz geliebt wird. Learning hier: Amis sind doof und lassen sich lieber von lustigen Katzenvideos und Beziehungsdramen einlullen, als von einem bösen Kometen, der die Welt zerstört. Wussten Sie das noch nicht? Die junge Doktorandin bekommt während der Show einen hysterischen Anfall, weil alles Scheiße ist und bekommt daraufhin einen Shitstorm in den Sozialen Netzwerken. Wow. Leonardo DiCaprio kommt dagegen als döspaddeliger Professor einwandfrei weg und wird von den Zuschauern geliebt. Sexiest Scientist alive… haha. Ja, Leonardo ist und bleibt einfach ein Frauenmagnet. Dieses Klischee sollte in jedem Film mit ihm gespielt werden.

Was bleibt übrig? Die Menschheit bekommt Wind von der Sache. Die einen sorgen sich, die anderen pfeifen darauf. Die Präsidentin nimmt das Thema nun dankend an und plant eine atomare Sprengung des Kometen, was die komplette Menschheit retten würde. Natürlich macht sie das nur, weil Wählerstimmen winken und inszeniert das ganze auf möglichst amerikanische Weise. Auch hier wieder das Holzhammerlearning: Amis stehen auf theatralische Darstellungen und möchten echte Helden sehen, die das Good-Ol-Amercia widerspiegeln. Wussten Sie das etwa noch nicht? Statt Humor nährt sich das Gefühl der Verständnislosigkeit und der Langeweile. 

So und jetzt kommt noch ein Typ ins Spiel, den man aus der Schublade Elon Musk/Marc Zuckerberg gezaubert hat. Ein etwas dümmlich wirkender Milliardär, der mit seinem Forscherteam Gold und andere kostbare Rohstoffe auf dem Kometen entdeckt. Und wie das als milliardenschwerer Dude so ist, bittet man die Präsidentin, die Operation “Smash the Comet”  in letzter Sekunde abzublasen. Sein neuer Plan: Den Brocken in kleine Teile zerfetzen und diese dann kontrolliert auf die Erde stürzen lassen. Wie das ausgeht, verrate ich nicht. Will nicht zu viel vom Film spoilern. Auch was sich ansonsten noch an kitschigen Liebeleien und Beziehungsdramen ergibt, zahlt kaum auf das Drama und den moralischen Spagat ein. Einfach nur peinlich und unnötig. 

Hier wurden tiefgefrorene Brötchen lauwarm aufgebacken.

Im Ergebnis wird dieser Film weder dem Komödien noch dem Drama Genre gerecht. Kleines Beispiel: Der Film Idiocracy vom US-amerikanischen Regisseurs Mike Judge aus dem Jahr 2006 zeigt eine Dystopie der Welt des Jahres 2505. Dieses ideokratische Meisterwerk schafft es, eine Science Fiction Geschichte mit einer guten Portion Humor zu würzen. Und zwar mit kranker Übertreibung, die es trotzdem schafft einen bösartigen Parabolspiegel vor die Nase zu halten. Schon 2006 zeichnete Mike Judge einen schwarzen Präsidenten, der als raubeiniger Wrestler auftritt, während er wild mit einem Maschinengewehr ballert. Von der dummen Masse wird er bejubelt und gefeiert. Trump lässt grüßen. 

Mit einem Budget von schlappen 75 Millionen Dollar wurden diese 138 Minuten in knapp einem Jahr Produktionszeit in den Kasten gezimmert. Vielleicht ist dieses halbgare Ergebnis auch dem Zeitdruck geschuldet, so nach dem Motto: “Hey, wir müssen den schnell rausbringen, damit die Leute darüber reden.” Glückwunsch, geschafft. Aber mich habt ihr nicht abgeholt. Auch, wenn es bis zum Ende spannend blieb. Wer will nicht sehen, was passiert, wenn ein Komet einschlägt. Mist, doch gespoilert.

Immerhin hat Leonardo DiCaprio bei den Golden Globes 2022 als Nominierter für den besten Hauptdarsteller – Komödie oder Musical die Trophäe nicht bekommen. Immerhin. 

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